New Beetle

Januar 1994

Der Concept 1 ist die Sensation der North American Motor Show im Januar 1994 in Detroit. Die amerikanische Presse bringt Schlagzeilen wie: „VW hatches a New Beetle. It would sell like hotcakes“, “Best in Show”, “Exciting”, “The futuristic New Beetle - the hit of the Detroit Show”.
Selbst Konkurrenten sprechen von einer „Signalwirkung der modernen Käfer-Linie, die den Charme des früheren Volkswagen-Erfolgsmodells in die Gegenwart überträgt“.
Ferdinand Piëch hat sein Ziel erreicht: Die gesamte Weltpresse redet über VW – und nicht über die neuen amerikanischen Modelle.
Doch der Erfolg des Concept 1 löst eine Lawine aus, die so nicht geplant war. Eine ungeheure Erwartungshaltung entsteht.Die amerikanischen Volkswagenhändler fordern eine Serienproduktion des Wagens. Die ganze Welt schliesst sich ihnen an. Alle wollen den neuen Käfer. Ferdinand Piëch hat mit der Studie eine Entwicklung ausgelöst, die er nicht mehr stoppen kann. Schon in Detroit beginnt VW deshalb mit der Planung einer möglichen Serienproduktion.

Was ist das Erfolgsgeheimnis des Concept 1? Zunächst einmal wurde versucht, die Formensprache und Details des Käfers auf ein neues Automodell zu übertragen.

Die Übernahme dieser Elemente führt dazu, dass sich beim Betrachter das Gefühl eines modernisierten, aber noch vertraut wirkenden Käfers einstellt. Auch wenn die Concept 1-Studie optisch mit dem Käfer vieles gemeinsam hat, ist sie technisch ein ganz anderes, modernes Auto. So gibt es weder Luftkühlung, Drehfederstäbe oder Pendelachsen. Stattdessen glänzt der neue Käfer durch hochmoderne, umweltfreundliche Technik.

März 1994
Um das Medienspektakel um die aufregende Studie weiter zu steigern, lässt Ferdinand Piëch auf dem Genfer Salon im März 1994 ein rotes Concept 1 - Cabriolet vorführen. Dieser Prototyp setzt neue Massstäbe im Automobildesign am Ende des Jahrtausends.
Die Begeisterung wächst weiter. Über 1,2 Millionen Kaufinteressenten bedrängen VW. Um die Gemüter zu beruhigen, bleibt VW’ nichts anderes übrig, als zu erklären, „dass man in Zukunft den VW-Käfer in modernisierter Form wieder zum Kauf anbieten wird. Der Käfer von morgen soll mit der Technik von heute und dem Feeling von gestern Autofans, die den Käfer nur noch vom Hörensagen kennen, ansprechen“.
Die wirtschaftliche Produktion und ein Angebot zu marktgerechten Preisen erfordert allerdings eine Plattform, die für mehrere Modelle verwendet werden kann.
Aus diesem Grund wird der spätere New Beetle auf der Basis der Plattform A4/34x konzipiert, auf der unter anderem auch der Audi A3 und der Golf IV aufgebaut sind.

Die Anpassung
Die Entscheidung für einen zeitgemässen Käfer-Nachfolger ist gefallen. Um den neuen Käfer überhaupt in akzeptablen Stückzahlen verkaufen zu können, darf sein Kaufpreis nicht wesentlich über dem von anderen Grossserien-Fahrzeugen liegen. Also erlässt VW die Vorgabe, dass der neue Käfer nicht mehr als 10 % teurer sein darf als ein vergleichbarer Golf.
Dies bedeutet, dass für die Serienproduktion möglichst viele im Volkswagen-Konzern vorhandene Bauteile verwendet werden müssen – besonders natürlich solche vom Golf, da diese in hohen Stückzahlen und somit preiswert sind.
Dafür muss die Concept - Studie aber überarbeitet und an die vorhandenen Bauteile angepasst werden. Die entsprechenden Arbeiten werden in Wolfsburg unter der Leitung von Chefdesigner Helmut Warkuss durchgeführt. Die Grundvoraussetzung: Der neue Käfer wird auf der Plattform des Golf IV aufgebaut. Damit sind sein Radstand, seine Breite, die Anordnung der Aggregate, die Grösse der Radkästen sowie der vordere wie hintere Überhang vorgegeben.
Aus diesem Grund muss die Länge der Concept 1 - Studie von 3,80 m auf 4,08 m vergrössert und der Raddurchmesser von 18 auf 16 Zoll verkleinert werden. Auch die Lage des Kraftstofftanks macht Schwierigkeiten. Der Innenraum wird ebenfalls verändert; so werden viele Schalter aus dem VW-Sortiment übernommen. Dafür behält man etwa das ursprüngliche Rundinstrument ebenso bei wie die originelle Blumenvase.

Oktober 1995
Auf der Tokio Motor Show im Oktober 1995 debütiert die serienreife Version der Studie, die auf der Technik des Golf basiert. Die Faszination des New Beetle ist ungebrochen, trotz aller durchgeführten Modifikationen. Im Gegenteil: Sogar in Fernost findet der Wagen lebhaften Beifall.
Ferdinand Piëch lässt es sich nicht nehmen, persönlich die ersten verbindlichen Bestellungen für den neuen Volkswagen aufzunehmen. Und tatsächlich kommt er mit einem vollen Auftragsbuch nach Wolfsburg zurück. Damit ist die endgültige Entscheidung für die Produktion dieses Fahrzeugs gefallen. Nach einem gelben und einem roten Käfer wird diesmal ein schwarzes Modell ausgestellt. So ergeben alle drei Fahrzeuge, in der richtigen Reihenfolge nebeneinander gestellt, die Farben der deutschen Nationalflagge.
Die angebotenen Motoren sind der 2,0-l-Golf-Motor mit 85 kW/115 PS und Zweiventil-Technik, ein 1,8-l- Fünfventiler mit Turbo-Aufladung und 110 kW/150 PS sowie der 1,9-l-Golf-Turbo-Diesel mit 66 kW/90 PS.

November 1995
Nach dem Erfolg auf der Tokio Motor Show wird im November 1995 das Design des neuen Käfers bis auf kleinere Details festgelegt. Als Produktionstandort wird das mexikanische Werk in Puebla ausgewählt. Für den Produktionsort hatten sich Wolfsburg, Mosel/Sachsen sowie Bratislava beworben.
Dass die Entscheidung zugunsten von Puebla ausfallt, liegt an dem niedrigen Lohnniveau und dem geringen Ausschuss Pueblas (weniger Ausschuss als z.B. in Wolfsburg!), der Zugehörigkeit Mexikos zur nordamerikanischen Freihandelszone sowie den vielen ortsnahen Zulieferern (schneller und billiger beliefert niemand den VW-Konzern). Damit wird der neue Käfer in Sichtweite jener Hallen gebaut, in denen sein berühmtes Vorbild noch heute vom Band läuft.
Schon jetzt steht fest, dass der serienmässige New Beetle über temperamentvolle Motoren, moderne Sicherheitselemente und eine hochwertige, funktionale Ausstattung verfügen wird, wie es sie zu keinen Zeiten beim alten Modell gab.

März 1996
Auf dem Genfer Automobilsalon im März 1996 wird die weiterentwickelte Concept 1 - Studie vorgestellt - als der neue Beetle oder the New Beete. Das Ausstellungsexemplar unterscheidet sich von dem früheren schwarzen Modell durch die aussergewöhnliche Farbe Cybergreen-Perleffekt sowie durch ein riesiges, sich elektrisch öffnendes Targa-Glasschiebedach, System Porsche. Dank einer ausgeklügelten Technik verschwindet das breite Glasdach beim Öffnen im Fahrzeugheck unter der grossen Heckscheibe. Neu ist auch die Stoff-Lederkombination im Innenraum sowie ein Syncro-Allradantrieb. Auch dieses Fahrzeug findet grosses Interesse beim Publikum. Der eMail-Server bei VW bricht wegen der vielen eMail-Anfragen von Interessenten zusammen. Um diese Flut an Interessenten in den Griff zu bekommen, führt VW eine Vormerkliste im Internet ein, in die sich jeder Interessent bequem von zu Hause aus eintragen kann. Die Interessenten erhalten dann von einem speziellen New Beetle - Team regelmässig Newsletter und Info-Material zugeschickt.

September 1996
Im September 1997 wird das erste Prospektmaterial verschickt. Es beginnt mit den Worten: „Der New Beetle - ein Original kommt in Fahrt“ und beinhaltet ein grosses Poster von einem New Beetle in violetter Farbe.

November 1996
Nur zwei Jahre nach der endgültigen Entscheidung zum Bau des Autos eröffnet Ferdinand Piëch persönlich im November 1997 die Vorserienproduktion in Puebla. Das moderne Engineering im VW-Konzern führte in atemberaubend kurzer Zeit vom Prototypen zum Serienmodell. Die Fahrzeugentwicklung erforderte mit den notwendigen Tests und der Einrichtung der Produktion Investitionen von einer knappen Milliarde DM.

Januar 1998
Im Januar 1998 wird der New Beetle in Amerika-Version auf der Detroit Motor Show vorgestellt - und übertrifft alle Verkaufserwartungen. Die amerikanische Presse schreibt: "Eine Legende wird wieder lebendig", der New Beetle ist "die Unsterblichkeit eines Lebensgefühls" und die "Sehnsucht nach der Jugend".
Die deutsche Presse ergeht sich daraufhin in Schlagzeilen wie "Amerika ist verrückt nach dem Beetle" und "Amerika ist im Käfer-Fieber" und druckt als Beleg hierfür Bilder strahlender amerikanischer Prominenter neben einemNew Beetle.

Februar 1998
In Puebla beginnt im Februar die Serienfertigung. Die Produktion von 260 Fahrzeugen pro Tag muss schon im März auf 500 Wagen und im April auf 600 Exemplare pro Tag erhöht werden. Trotz dieser Massnahmen ist schon vor dem eigentlichen Verkaufsbeginn die gesamte Jahresproduktion vergeben. Es entsteht ein Schwarzmarkt für Kaufverträge für den New Beetle.
Dabei wird von den Spekulanten teilweise der doppelte Verkaufspreis gefordert. Wegen der gewaltigen Nachfrage geben VW-Manager schliesslich im Februar bekannt, dass zur Beseitigung der Lieferengpässe ein zweites Werk für den New Beetle bereits in der Planung sei.

März 1998
Im März 1998 werden die ersten Exemplare offiziell in den USA ausgeliefert. Weil auch in Deutschland ein grosses Interesse besteht, werden 60 dieser Fahrzeuge von VW an einen ausgewählten Personenkreis vorzeitig ausgeliefert.
Darüber hinaus haben zahlreiche VW - Liebhaber bereits früher direkt bei einem VW-Händler in den USA ihren New Beetle bestellt und importieren ihn jetzt nach Deutschland.
So kommt es, dass der New Beetle bereits im Frühling 1998, ein halbe Jahr vor dem eigentlichen Verkaufsstart in Deutschland, auf deutschen Strassen zu sehen ist.
Wo der New Beetle auftaucht, wird er bewundert. Als auf der Hannover-Messe im April 1998 ein Besucher mit einem New Beetle anreist, wird der Wagen sofort von den anwesenden Fernsehteams zum Medienstar gemacht, als Kulisse für Interviews benutzt und in zahlreichen Zeitungen als Messe-Highlight abgebildet. Hat es jemals, so fragt man sich, soviel Rummel um ein neues Auto gegeben?

Oktober 1998
Der New Beetle wird auf dem europäischen Markt eingeführt. Im Oktober 1998 wird der New Beetle in seiner internationalen Version auf dem Pariser Automobilsalon der Öffentlichkeit präsentiert.

November 1998
Ende November 1998 werden die ersten Exemplare offiziell in Deutschland ausgeliefert. Der New Beetle kann die Strassen Deutschlands erobern!